OLG Brandenburg, Urt. v. 21.07.2011 - 12 U 9/11 -
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Kurzbeschreibung: Mit der Frage, ob der Erbe der an einem Melanom verstorbenen Patientin wegen eines behaupteten Diagnosefehlers Schadensersatzansprüche gegen die in Gemeinschaftspraxis niedergelassenen Hautärzten geltend machen kann, befasst sich das Brandenburgische Oberlandesgericht.
Angewendete Vorschriften: § 1922 BGB
Vorinstanz: LG Potsdam
Brandenburgisches Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
21.07.2011
12 U 9/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
...
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 01.12.2010 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 11 O 87/07, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht als Gesamtrechtsnachfolger gegenüber den Beklagten, die in Gemeinschaftspraxis als niedergelassene Hautärzte in M tätig sind, Arzthaftungsansprüche seiner am 07.06.2008 an den Folgen eines Melanoms verstorbenen Ehefrau H I geltend. Die damals 37-jährige Frau I begab sich am 02.02.2004 in die Behandlung des Beklagten zu 1., um ein Muttermal, das sie beunruhigte, untersuchen zu lassen. Der Beklagte zu 1. nahm eine dermatoskopische Untersuchung (optische Befundung mit Speziallupe) vor und diagnostizierte: "gesichert Naevus, Kontrolle Naevi dermatoskopisch o.B." Eine Gewebeprobe, die den Nachweis eines bösartigen Tumors erbracht hätte, wurde nicht veranlasst. Nachdem im Juni 2004 bei Frau I ein bösartiger Hauttumor (Melanom) festgestellt wurde, streiten die Parteien in erster Linie darum, ob eine solche histologische Untersuchung schon am 02.02.2004 geboten war.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht Potsdam hat die Klage, die vor dem Landgericht zuletzt auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,- € sowie Feststellung künftiger Einstandspflicht der Beklagten gerichtet war, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass die Beklagten durch eine fehlerhafte Behandlung einen Gesundheitsschaden bei Frau I verursacht hätten. Im Ergebnis der Beweisaufnahme einschließlich der Anhörung der Parteien (am 22.11.2007 konnte vor dem Landgericht auch die später verstorbene Frau I noch angehört werden) gehe das Gericht davon aus, dass der Fleck auf dem Bauch der Frau I bereits im Februar 2004 bei der erstmaligen Begutachtung durch den Beklagten zu 1. ungefähr so groß wie der Fingernagel eines kleinen Fingers und dunkelbraun gefärbt gewesen sei, sowie etwas unterschiedliche Färbungen aufgewiesen habe, leicht erhaben gewesen sei und die Oberflächenstruktur schrumpelig wie bei einer Rosine ausgesehen habe. Gefäße seien nicht zu erkennen gewesen. Im Laufe der weiteren Entwicklung bis Mai 2004 habe sich diese Färbung weiter verdunkelt und der Fleck sei weiter aus der Haut herausgetreten. Der Sachverständige, dem dieser Zustand für die Begutachtung vom Gericht vorgegeben worden war, habe ausgeführt, dass es sich bei einer solchen Beschreibung sowohl um eine gutartige, als auch um eine bösartige Veränderung habe handeln können. Obwohl bei einer nur optischen Begutachtung verdächtiger Hautstellen in 10 % aller Fälle Fehldiagnosen gestellt würden, sei die optische Befundung ärztlicher Standard. Deshalb sei die Entnahme einer Hautprobe und Untersuchung derselben nur erforderlich, wenn sich weitere Anhaltspunkte ergäben, deren Vorliegen aber anlässlich der Behandlung am 02.02.2004 nicht feststellbar bzw. nicht mit der hinreichenden Sicherheit bewiesen worden seien. Dies gelte letztlich auch unter Berücksichtigung weiterer Merkmale, die Frau I aufgewiesen habe, namentlich rotblonder Haare, einen hellen Hauttyp, einer Wachstumstendenz des Muttermals, einer vorangegangenen Schwangerschaft sowie mehrerer Leberflecken am Körper. Der Sachverständige habe zwar ausgeführt, dass sich aus seiner Sicht eine histologische Untersuchung "wohl angeboten" hätte, im Unterlassen einer solchen sehe er allerdings keinen Behandlungsfehler. Der bekannte Unsicherheitsfaktor von 10 % bei bloß optischer Befundung könne nicht zulasten des Arztes abgewogen werden. Dabei komme dem Kläger auch nicht zugute, dass eine genaue Beschreibung der damaligen Hautstelle nicht mehr möglich war, weil am 02.02.2004 kein Foto gefertigt worden war. Denn eine photographische Dokumentation sei im Jahre 2004 noch nicht üblich gewesen. Letztlich bleibe die Beurteilung der Hautstelle eine dem Arzt überlassene Entscheidungsfrage, die im Nachhinein einer Überprüfung nur schwer zugänglich sei, so dass eine weitere Dokumentation als das Ergebnis der Begutachtung durch den Arzt nicht zu leisten sei. Außerdem könne, auch wenn ein solcher Fall sehr selten sei, nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Melanom unter einem unauffälligen Muttermal entwickelt habe. Anlässlich der weiteren Untersuchung von Frau I am 14.05.2004 sei den Beklagten zwar ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen, der zu einer Umkehr der Beweislast führe. Die Beklagten hätten allerdings mit dem Gutachten des Sachverständigen beweisen können, dass sich dieser Befunderhebungsfehler nicht mehr kausal ausgewirkt habe. Weitere Behandlungsfehler seien dem Beklagten nicht vorzuwerfen. Zwar sei die Entfernung der Hautstelle am 14.05.2004 mittels eines Lasers nicht indiziert gewesen. Dies habe jedoch nicht zu einem weiteren Schaden geführt. Auch sei den Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie am 02.06.2004 den Tumor nicht vollständig im Gesunden entfernt hatten. Eine solche vollständige Entfernung sei zwar anzustreben, aber nicht immer zu erreichen.
Gegen das dem Kläger am 06.12.2010 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 05.01.2011 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.03.2011 ist die Berufungsbegründungsschrift am 02.03.2011 eingegangen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger nur die erstinstanzlich gestellten Anträge auf Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung von Anwaltsgebühren weiter und trägt vor, dass die Beklagten angesichts der bekannten Unsicherheit der dermatoskopischen Untersuchung die Diagnose "gesichert Naevus" nicht hätten stellen dürfen. Denn gesichert sei nur, was auch durch eine Gewebeuntersuchung festgestellt werde. Deshalb sei nicht nur die Dokumentation grob falsch, sondern führe auch jeden Behandler in die Irre. Vielmehr hätte der Beklagte zu 1. bei sorgfältiger Untersuchung schon am 02.02.2004 feststellen können und müssen, dass ein verdächtiger Befund vorgelegen habe. Da dieser sowohl gutartig als auch bösartig hätte sein können, stelle das Unterlassen einer weitergehenden differential-diagnostischer Untersuchung - auch angesichts der Ängste der Frau I - einen Verstoß gegen den medizinischen Fachärztestandard dar. Angesichts des hohen und stetig steigenden Risikos, an Hautkrebs zu erkranken, könne die Entscheidung, von einer histologischen Untersuchung abzusehen, nicht in das Ermessen des Arztes gestellt werden. Die im Februar 2004 versäumte histologische Untersuchung hätte zwar nicht mehr den Primärschaden (Vorliegen von Hautkrebs) verhindern können, indessen habe sich der Umfang dieses Primärschadens durch den verzögerten Behandlungsbeginn erhöht. Der Beklagte zu 1. habe es auch unterlassen, der Ehefrau des Klägers zur alsbaldigen Wiedervorstellung zu raten. Hätten die Beklagten dringend geraten, die verdächtigte Hautstelle genau zu beobachten, und sich bei weiteren Auffälligkeiten sofort wieder vorzustellen, wäre die Ehefrau des Klägers früher als am 14.05.2004 wieder vorstellig geworden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das am 21.10.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 11 O 87/07, abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 100.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 35.000,00 € seit dem 09.08.2007 sowie aus 65.000,00 € seit dem 23.07.2008 betragen sollte,
sowie die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die C Rechtschutz-Versicherung, H , den Betrag in Höhe von 2.469,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2007 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meinen, dass die angefochtene Entscheidung zu ihren Lasten von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei; bei richtiger Beweiswürdigung hätte das Landgericht nicht von einem Muttermal ausgehen dürfen, das unterschiedlich pigmentiert gewesen sei und die Farbe einer Rosine gehabt habe; vielmehr habe sich am 02.02.2004 für den Beklagten zu 1. ein homogen hellbraunpigmentierter papillomatöser (gestielter) Naevuszellnaevus (NZN) ohne jede Auffälligkeit gezeigt. Auch die Untersuchung am 14.05.2004 habe keine Auffälligkeiten ergeben, die auf ein malignes Melanom hingedeutet hätten; insbesondere weder eine Pigmentierung noch ein auffälliger Gefäßstatus. Es habe das sehr seltene amelanotische Melanom vorgelegen, das sich wegen seines atypischen Aussehens aufgrund fehlender Pigmentierung seiner Diagnose entziehe und sich als bösartige Hautveränderung "hinter einer gutaussehenden Maske" verberge. Die Dokumentation der Beklagten sei zwar knapp gewesen, führe jedoch nicht zu einer Beweiserleichterung für den Kläger, weil die Dokumentation einer dokumentationspflichtigen Maßnahme nicht unterblieben sei. Da die dermatologische Untersuchung keinen pathologischen Befund ergeben habe, unterschreite es nicht den medizinischen Standard, weitere Befunderhebungen zu unterlassen. Auch eine - sehr wohl vorgenommene - Sicherheitsaufklärung hätte nicht zu einer früheren Wiedervorstellung der Ehefrau des Klägers geführt, weil keine andere Diagnose als am 02.02.2004 gestellt worden wäre. Schließlich sei es äußerst unwahrscheinlich, dass die Ehefrau des Klägers länger gelebt hätte, wenn das Melanom am 02.02.2004 entdeckt worden wäre. Insoweit sei der Sachverhalt auch nicht hinreichend aufgeklärt, weil der gerichtlich bestellte Sachverständige die Unterlagen über die Folgebehandlung nicht ausgewertet habe. Das begehrte Schmerzensgeld sei übersetzt, weil die Ehefrau des Klägers ohnehin unter erheblichen Beeinträchtigungen einschließlich Todesängsten gelitten hätte; es sei nicht erkennbar, dass die Diagnoseverzögerung zu erheblichen zusätzlichen Belastungen geführt habe.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO.
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
A.
Ein Schadenersatzanspruch aus Verletzung des Behandlungsvertrages der Frau I mit den Beklagten durch den Beklagten zu 1. am 02.02.2004, der auf den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger seiner Frau übergegangen wäre (§ 1922 BGB), ist nicht entstanden, obwohl der Beklagte zu 1. das bereits vorhandene Melanom nicht erkannt hat.
1.
Ein Diagnosefehler ist dem Beklagten zu 1. nicht vorzuwerfen, weil die Dermatoskopie, die medizinischer Standard ist, eine Fehlerquote von 10 % aufweist, und die Einschätzung eines Muttermals eine schwierige medizinische Aufgabe darstellt. Objektive Irrtümer bei der Diagnosestellung sind nicht notwendig Folge eines vorwerfbaren Versehens des behandelnden Arztes, weil die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig sind, sondern auf verschiedene Ursachen hinweisen können. Dem Arzt steht grundsätzlich bei der Diagnose ein gewisser Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zu. Die objektive Fehlerhaftigkeit einer Diagnose ist nicht vorwerfbar, wenn es sich um eine in der gegebenen Situation vertretbare Deutung der Befunde handelt (OLG München vom 10.07.2008 zu 1 U 2089/07, zit. nach juris). So liegt der Fall auch hier. Es kann dahinstehen, ob sich dem Beklagten zu 1. das Muttermal am 02.02.2004 tatsächlich so präsentierte, wie es das Landgericht im Anschluss an die Darstellung der Klägerseite angenommen hat, nämlich: "Ungefähr so groß wie der Fingernagel eines kleinen Fingers und dunkelbraun gefärbt bei etwas unterschiedlicher Färbung, leicht erhaben und die Oberflächenstruktur schrumpelig wie bei einer Rosine. Gefäße waren nicht erkennbar." Der Sachverständige, dem das Landgericht dieses Erscheinungsbild zur Begutachtung des Sachverhalts vorgegeben hatte, hat nur feststellen können, dass es sich bei diesem Erscheinungsbild sowohl um eine gutartige, als auch um eine bösartige Veränderung hätte handeln können. Retroperspektiv kann daher nicht mehr gesagt werden, dass es unvertretbar und damit haftungsbegründend war, das vorgestellte Muttermal als gutartig einzuschätzen. Die unterbliebene photographische Dokumentation der untersuchten Hautstelle führt nicht zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Klägers. Die fehlende Bilddokumentation an sich stellt keinen Behandlungsfehler in Form eines Dokumentationsmangels dar, weil, wie der Sachverständige ausführt, im Jahre 2004 Bilddokumentationen noch unüblich waren, und dies auch heute noch nicht allgemein geforderter Standard ist. Auch die medizinisch nicht ganz korrekt formulierte Diagnose "gesichert Naevus" ist ohne haftungs- oder beweisrechtliche Konsequenz, weil aus den Behandlungsunterlagen hervorgeht, dass keine feingewebliche Untersuchung - die allein den sicheren Nachweis der Gutartigkeit hätte liefern können - veranlasst, sondern dieser Schluss aufgrund der dermatoskopischen Untersuchung gezogen wurde.
Dem Kläger kommt auch keine Beweiserleichterung zugute, weil der Beklagte zu 2. am 14.05.2004 das Muttermal abgelasert hat, und es deshalb unmöglich geworden war, anhand der später durchgeführten Histologie das Erscheinungsbild des Muttermals zu rekonstruieren. Das Ablasern ist zwar nach den Feststellungen des Sachverständigen bei Vorliegen eines Muttermals, auch wenn es als gutartiges betrachtet wird, nicht das Behandlungsmittel der Wahl. Es zeitige keine besseren Ergebnisse als die Entfernung mittels Skalpell und weise den Nachteil auf, dass das Gewebe verbrennt und deshalb, anders als bei der Skalpellentfernung, nicht mehr untersucht werden könne. Außerdem sei zu kritisieren, dass trotz vorhandener Blutungsneigung gelasert und keine feingewebliche Untersuchung ermöglicht wurde. Doch das Gebot, ein Muttermal kunstgerecht zu entfernen, um es anschließend untersuchen zu können, dient - vergleichbar der Aufgabe ärztlicher Behandlungsdokumentation - nicht dazu, dem Patienten die Beweisführung in einem späteren Prozess zu erleichtern, sondern orientiert sich an den Belangen der medizinischen Behandlung. Ihre u.U. grobe Fehlerhaftigkeit würde indes nur zu Beweiserleichterungen im Hinblick auf die anschließend entstandenen Gesundheitsschäden führen, nicht jedoch hinsichtlich der vorangegangenen Behandlung, zumal es keinen Anhaltspunkt gibt, dass die Hautstelle abgelasert wurde, um sie unkenntlich zu machen.
2.
Dem Beklagten zu 1. ist kein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn die Erhebung und/oder die Sicherung medizinisch gebotener Befunde - die unterlassen worden ist - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein positives und deshalb aus medizinischer Sicht reaktionspflichtiges Ergebnis gehabt hätte (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., München 2009, B 296, S. 214). Die Tatsachen, aus denen sich eine ergänzende Befunderhebungspflicht ergibt, muss der Patient nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und ggf. unter Beweis stellen (Spieckhoff, Die Entwicklung des Arztrechts 2008/2009 in NJW 2009, 1716, zit. nach juris m.w.N.). Entscheidend ist, ob bestimmte Symptome differentialdiagnostisch eine bestimmte Diagnose nahe legen und diese deshalb durch weitere Untersuchungen ausgeschlossen werden müssen (BGH NJW-RR 2008, 263, zit. nach juris). So nimmt eine - nach zurückgewiesener Nichtzulassungsbeschwerde - rechtskräftige Entscheidung des OLG Jena vom 23.05.2007 (Az.: 4 U 437/05, zit. nach juris) einen Befunderhebungsfehler wegen Nichtveranlassung einer histologischen Untersuchung an, weil bei der Patientin (es ging um den Verdacht auf Brustkrebs) Vorbefunde, insbesondere Größenwachstum und erkennbare unscharfe und unregelmäßige Begrenzung sowie fehlende Randschatten bereits für die Bösartigkeit des Tumors gesprochen hätten. Es habe bereits ein suspekter Herdbefund vorgelegen. Damit war dort davon auszugehen, dass die bisherigen Untersuchungen bereits einen zwingenden, abklärungsbedürftigen Verdacht hervorriefen. Demgegenüber vermochte der Kläger hier nicht zu beweisen, dass die Untersuchung seiner Frau einen suspekten Befund ergeben hatte. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an, wonach der Beklagte zu 1. auch das Erscheinungsbild, das vom Landgericht angenommen wurde ("schrumpelige Rosine"), nicht zwingend zum Anlass nehmen musste, eine Gewebeuntersuchung zu veranlassen. Schon von daher bestand kein Anlass, den durchaus beachtlichen Einwendungen der Beklagten gegen diese Feststellungen des Landgerichts weiter nachzugehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen letztlich entscheidend für die Erhebung weiterer Befunde ist die Beurteilung der Hautstelle nach der dermatoskopischen Betrachtung durch den behandelnden Arzt. Dabei hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung durch das Landgericht durchaus die von Klägerseite angeführten Besonderheiten der vorliegenden Konstellation - Rothaarigkeit der Patientin, Vielzahl von Leberflecken, vorangegangene Schwangerschaft, Wachstumstendenz der Hautstelle - ebenso wie den Umstand der Beunruhigung der Patientin als für eine weitergehende Untersuchung sprechende Indizien gewertet. Gleichwohl reichen diese Umstände nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, nicht aus, in jedem Fall eine weitere Befundung erforderlich zu machen. Zusätzlich erforderlich ist danach, dass auch als Ergebnis der dermatologischen Untersuchung aus Sicht des behandelnden Arztes das Vorliegen eines Melanoms zumindest naheliegend gewesen ist oder als naheliegend hätte erkannt werden müssen. Von einer solchen Situation lässt sich nach den Feststellungen des Sachverständigen indes gerade nicht ausgehen, insbesondere weil die Hautstelle nicht näher beschrieben oder photographiert worden ist. Auch das Probenmaterial aus der späteren Gewebeentnahme lässt wegen der Zerstörung durch das Ablasern keine Rückschlüsse mehr auf das ursprüngliche Erscheinungsbild zu (vgl. die Anhörung des Sachverständigen am 22.11.2007). Beweiserleichterungen wegen der wenig aussagekräftigen Befunddokumentation und wegen der Zerstörung des sichtbaren Gewebes durch das spätere Ablasern kommen, wie oben ausgeführt, dem Kläger nicht zugute. Dass die vom Beklagten zu 1. in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung, eine Gewebeprobe nicht zu entnehmen, aufgrund der vom Beklagten zu 1. einzubeziehenden Feststellungen bei der dermatoskopischen Untersuchung fehlerhaft war, kann somit rückblickend nicht mehr festgestellt werden. Die getroffene Wertung, wonach es entscheidend auf die Einschätzung des Arztes ankommt, und eine eventuelle Fehleinschätzung, die weitere Befunderhebung nicht geboten erscheinen lässt, keinen Befunderhebungsfehler nach sich zieht, wird gestützt durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.01.2007 (Az.: VI ZR 59/06, zit. nach juris). Dort wird vor dem Hintergrund einer pathologischen Untersuchung und der Annahme, dass eine bestimmte Diagnose in diesem Fachbereich zum Schwierigsten gehöre, was es dort gebe, ausgeführt, dass der Pathologe bei der Gesamtbewertung "anhand seiner bisherigen Erfahrungen letztlich eine subjektive Einordnung vornehmen" müsse. Weiter heißt es in dem Urteil: "Selbst wenn es zu den Obliegenheiten des Pathologen gehören würde, sich in zweifelhaften Fällen von der Richtigkeit seines Ergebnisses durch Einholung einer zweiten Meinung zu überzeugen, läge in dem Unterlassen keine Nichterhebung eines Kontrollbefundes im Sinne vorgenannter Senatsrechtssprechung [gemeint ist die Senatsrechtssprechung zum Befunderhebungsfehler]. Vielmehr handelt es sich ( ) um einen Diagnoseirrtum aufgrund fehlerhafter Bewertung eines ansonsten vollständig erhobenen Befunds". Einen medizinischen Standard, dem Patienten, der aus Beunruhigung über ein verändertes Muttermal vorstellig wird, stets und ungeachtet der dermatoskopischen Untersuchung, eine Gewebeprobe zu entnehmen und diese histologisch zu untersuchen, gibt es, wie der Sachverständige zur Überzeugung des Senat ausführt, demgegenüber nicht.
3.
Ein Behandlungsfehler liegt auch nicht deshalb vor, weil der Beklagte zu 1. am 02.02.2004 vermeintlich eine Sicherungsaufklärung unterlassen hat. Dieser so erstmals mit der Berufung als "Nebenkriegsschauplatz" in den Rechtsstreit eingeführte und bestrittene Behandlungsfehler ist schon deshalb nicht mehr zu berücksichtigen, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Unabhängig davon ließe sich ein Behandlungsfehler nur annehmen, wenn es sich um eine eindeutig erforderliche therapeutische Beratung handelte, bei deren Unterlassen erhebliche gesundheitliche Nachteile drohen (Geiß/Greiner aaO, B 285, Seite 212). Dass der Beklagte hier auf eine zeitnahe Wiedervorstellung von Frau I hatte drängen müssen, ist angesichts der von ihm getroffenen Diagnose nicht anzunehmen. Nach den Angaben des Sachverständigen waren vor Ablauf von drei Monaten ohnehin keine Veränderungen zu erwarten und Frau I war in Bezug auf Veränderungen auch problembewusst, da sie sich aufgrund einer von ihr wahrgenommenen Veränderung in die Praxis der Beklagten begeben hatte. Zudem kam Frau I am 14.05.2004 wieder in die Sprechstunde der Beklagten, weil das Muttermal blutete, nachdem das Baby dagegen getreten hatte. Diese Veränderung der Hautstelle hat Frau I auch ohne Sicherungsaufklärung von sich aus zum Anlass genommen, wieder vorstellig zu werden. Es ist also einerseits nicht hinreichend erkennbar, welche Art von Sicherungsaufklärung trotz - vertretbar - festgestellter Gutartigkeit hier zur Vermeidung erheblicher gesundheitlicher Nachteile hätte konkret erfolgen sollen noch kann festgestellt werden, dass Frau I im Falle einer weitergehenden Aufklärung zu einem früheren Zeitpunkt wieder vorstellig geworden wäre und sich dies kausal auf das weitere Geschehen positiv zugunsten von Frau I ausgewirkt hätte.
B.
Ein Schadenersatzanspruch aus Verletzung des Behandlungsvertrages der Frau I mit den Beklagten durch den Beklagten zu 2. am 14.05.2004, der auf den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger seiner Frau übergegangen wäre (§ 1922 BGB), ist nicht entstanden, obwohl auch der Beklagte zu 2. das Melanom nicht erkannt und es außerdem mit einem Laser verbrannt hat, statt das Gewebe zu entnehmen und histologisch zu untersuchen.
Es liegen zwar ein Befunderhebungs- und auch ein Behandlungsfehler vor; die Beklagten konnten jedoch den Nachweis führen, dass sich weder die unterbliebene Gewebeuntersuchung noch das Ablasern nachteilig auf den späteren Krankheitsverlauf ausgewirkt haben. Mit den Feststellungen des Sachverständigen geht der Senat davon aus, dass am 14.05.2004 pathologische Gefäße, die vom Beklagten zu 2. nicht beschrieben worden sind, vorhanden waren, weil der Sachverständige nach eigener histologischer Untersuchung, die er im vorgeschaltet durchgeführten Schlichtungsverfahren vorgenommen hat, peritumorale Kapillaren feststellen konnte. Deshalb hätte auch dermatoskopisch der Verdacht auf Bösartigkeit erhoben werden können. Das Vorhandensein pathologischer Gefäße, die bei der Untersuchung durch den Beklagten zu 2. hätten erkannt werden können, wird auch, so der Sachverständige zur Überzeugung des Senat weiter, dadurch bestätigt, dass nach der Laserbehandlung eine ungewöhnliche Blutungsneigung aufgetreten war. Die Fehldiagnose des Beklagten zu 2. und seine Entscheidung, die betroffene Hautstelle nicht histologisch untersuchen zu lassen, können sich aber nicht mehr negativ auf den weiteren Krankheitsverlauf bei Frau I ausgewirkt haben, weil bereits am 19.05.2004 (also fünf Tage später) die sachgerechte Diagnostik eingeleitet wurde, die dann über eine weitere Gewebeentnahme am 02.06.2004 zur Diagnosesicherung und sachgerechten Behandlung führte. Eine Kausalität dieser geringen Verzögerung auf den Krankheitsverlauf ist vor dem Hintergrund, dass Frau I noch vier Lebensjahre verblieben, das Melanom jedoch schon im Mai 2004 metastasiert hatte, ausgeschlossen. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat den Einwand der Beklagten, der Zeitraum zwischen dem 14.05.2004 bis zur ersten Gewebeprobeentnahme am 19.05.2004 und der weiteren Gewebeentnahme am 02.06.2004 sei zu kurz gewesen, um von einer auch nur entfernt möglichen positiven Beeinflussung des späteren Krankheitsverlaufes ausgehen zu können, bestätigt. Es kann deshalb auch dahin stehen, ob es sich um einen groben Behandlungsfehler gehandelt hat, als der Beklagte zu 2. das Muttermal am 14.05.2004 trotz der Blutungsneigung desselben, von der der Sachverständige ausgeht, weil es nach einem Bagatelltrauma (Tritt des Babys) zu einer Blutung kam, mit einem Laser entfernt hat. Denn die Laserbehandlung blieb, wie der Sachverständige bestätigt, ohne negative Auswirkungen auf das Tumorgeschehen. Da die mit der Laserbehandlung einhergehende Gewebevernichtung außerdem nicht dazu geführt hat, dass das Melanom wieder längere Zeit unentdeckt blieb, weil am 19.05.2004 die histologische Diagnostik eingeleitet worden war, bleibt diese Behandlung aus den gleichen, vorstehend genannten Gründen, ohne haftungsrechtliche Konsequenz.
C.
Den Beklagten ist schließlich auch nicht vorzuwerfen, dass sie am 02.06.2004 das Melanom nicht im Guten zu entfernen vermochten. Wie das Landgericht geht der Senat davon aus, dass eine solche vollständige Entfernung im Gesunden zwar anzustreben ist, aber nicht immer erreicht werden kann.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, Abs. 2 ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtssprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.
Unterschriften